Leichtpedalig über zwei Pässe

Passfahren ist jetzt nicht etwas, das ich weder zu meinen alltäglichen Aktivitäten noch zu meinen Strongest Assets zählen würde. Nichtsdestotrotz wollte ich es letztens wissen und habe mich auf der dritten Etappe der Route 1291 pedalend von Andermatt über den Furka- und Grimselpass nach Meiringen geschleppt. Natürlich mit dem E-Bike, was hast denn du gedacht?

Etappe 3 Route 1291 | James Bond Kurve

Abfahrt von der berühmten James Bond Kurve

Als es darum ging, welche Etappe der Route 1291 ich mit dem E-Bike entdecken möchte, blinzelte mir die dritte Etappe von Andermatt nach Meiringen bereits von Anfang an zu. Die Tour startet im hübschen Andermatt und schlängelt sich über den Furka- und Grimselpass bis ins Berner Oberland. Zwei Pässe, 70km Distanz und 1500 Höhenmeter Oberschenkel-Horror. Traue ich mir das zu? Wiederum, wann habe ich schon die Möglichkeit über zwei Pässe zu flitzen? In meiner nicht existenten Garage stehen weder Auto noch Motorrad und mit dem Rennvelo käme ich wohl nicht mal mit Rückenwind um die erste Kurve. Es bleibt das E-Bike als letzte Option.

Vielversprechender Start 

Das E-Bike mieten wir ganz unkompliziert bei Rent a Bike. (Wir, das sind Freund und ich. Natürlich ist Freund bei so waghalsigen Aktionen immer am Start und musste nicht zweimal gefragt werden). Da ich das erste Mal ohne GA Zug fahren würde und sonst schon Schwierigkeiten hatte das richtige Tagesticket zu lösen, wollte ich mir den zusätzlichen Stress mit dem Velotransport nicht auch noch aufbürden. Umso froher war ich, dass Eurotrek uns die Bikes nicht nur nach Andermatt bringen, sondern sie am Zielort in Meiringen auch wieder abholen würde.  

Mit Regenwolken im Nacken beschliessen wir, uns zuerst im schmucken Andermatt zu verlieren, bevor wir für die Nacht ins Radisson Blu Hotel Reussen einchecken. Wir spüren bereits die ersten dicken Regentropfen auf der Haut, während wir durch die mit Pflasterstein belegten Dorf-Gässchen schlendern und uns mit Blick auf die Gipfel des Gotthardgebietes mental auf den morgigen Anstieg vorbereiten. Spontan erinnert mich Andermatt an Zermatt oder Grindelwald. So vom alpinen Dörfli-Feeling her. Nicht? Okei, nur ich also.

Long story short – wir haben es natürlich nicht mehr trocken ins Hotel geschafft. Was nicht weiter schlimm ist, weil wir sowieso schnell in den hauseigenen Pool hüpfen, bevor wir uns hungrig zum Abendessen im Restaurant Spun einfinden. Zu meiner Überraschung hat es sogar einige vegane Optionen, so lasse ich mir nach einer würzigen Tomatensuppe natürlich nicht das Dinkelgeschnetzelte mit Rösti entgehen. Freund lässt sich ein butterzartes Tatar auf der Zunge zergehen.

Nach einem kurzen und sehr benötigten Verdauungsspaziergang durch Andermatt hauen wir uns aufs Ohr. Ich schicke noch ein Stossgebet in den Himmel, dass der nächste Tag schöneres Wetter bringen würde.

Durch die Scottish Highlands 

Der nächste Tag brachte kein schöneres Wetter mit sich. Nachdem wir uns um 07.00 Uhr (!) mit einer Horde Senior*innen um den letzten freien Frühstücks-Platz geprügelt hatten, satteln wir unsere E-Bikes und pedalen entschlossen unserem Glück entgegen. Dicker Nebel schiebt sich über die braunen Hänge des Urserntals und gemeinsam mit dem “lush green” der Wiesen, erinnert uns die Szenerie doch sehr an die Scottish Highlands (nicht, dass wir beide jemals da waren, aber etwa so stellen wir uns Schottland vor).

Ohne die kalte Morgenluft unter unsere Regenjacken zu lassen, passieren wir den Turm von Hospental, überqueren unberührte Bergbäche und gelangen nach Realp, wo sich die Strasse immer enger auf den Furkapass zu schlängeln beginnt. Für uns konditionslosen Gürkchen mit E-Bike: Null Problemo. Schlechtes Gewissen habe ich trotzdem, wenn ich die schnaufenden Rennvelofahrer*innen leichtpedalig (ja dieses Wort habe ich gerade erfunden) überholen muss. Da wir zum Bilderknipsen immer wieder anhalten, kommt es schon mal vor, dass wir eine arme Velo-Seele etwa viermal überholen müssen (very sorry an dieser Stelle).  

Medium-verdiente Gipfel-Suppe 

Nachdem uns das Motörchen mit der höchst einstellbaren Unterstützung problemlos auf 2429 m ü. M. verfrachtet hat, wird es Zeit unsere Akkus zu laden (nur zur Sicherheit. Wenn der Akku nämlich beim Aufstieg auf den Grimselpass den Geist aufgibt, so werde ich ihm das sicherlich gleich tun). Im sorgfältig renovierten Restaurant Furkablick gönnen wir uns dann unsere verdiente Gipfel-Suppe. Bizzli Beinmuskulatur hat der Aufstieg ja trotzdem gekostet.

Auf der Passhöhe wollen wir die atemberaubende Aussicht über die Viertausender des Berner Oberlandes eigentlich noch länger geniessen, doch der eisige Wind zaubert schon Eiszapfen an unsere Nasenspitzen. Die horrende Abfahrt wärmt auch nicht wirklich. Wir düsen am berühmten Hotel Belvedere und am Rhonegletscher vorbei, nehmen Kurve um Kurve, beobachten ein paar hauchdünn vermiedene Kollisionen vor uns, fahren immer und immer weiter runter – nur um dann in Gletsch gleich wieder alleeeeees hochzuradeln. I mean – come on. Wer macht das freiwillig ohne Motor? 

3 Kantone in 8 Stunden 

Von Luzern ins Wallis. Und nun ab nach Bern. Während der Verkehr im Verlauf des Tages stetig zunimmt, nimmt auch die Krämpfe-Tendenz in meinen Oberschenkeln langsam zu (Spoiler: gegen allen Erwartungen, hatte ich am nächsten Tag KEINEN Muskelkater. Ha!) Auf dem Grimsel angekommen, schnausen wir in der Sonne eine Portion Pommes, bevor der Nebel uns die Sicht auf den Totensee gleich wieder nimmt. Mit immensem Gegenwind brausen wir den Grimsel wieder hinunter, mit 60kmh durch die Tunnel, Tränen in den Augen, die Fahrt will gar nicht mehr aufhören, dann Sonne, immer noch Gegenwind, plötzlich noch einmal ein Aufstieg (!?), endlich Meiringen. 

Fünf Minuten bevor der Zug nach Luzern abfährt, geben wir unser E-Bike am Bahnhof Meiringen ab. Die guten Menschen von Eurotrek werden es dann am folgenden Tag wieder zurück nach Luzern transportieren. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie gottenfroh ich bin. Mit zwei Restaurant- und zweidutzend Foto-Stopps waren wir rund acht Stunden auf der dritten Etappe der Route 1291 unterwegs, da habe ich nicht noch die mentale Kapazität ein 25kg schweres E-Bike nach Luzern zu bugsieren. Das Ende der Geschichte: Laila war einmal mehr auf einem E-Bike und die Passfahrten waren in Realität gar nicht so schlimm, wie zu Beginn angenommen. Ende gut, alles gut. Sogar für meine Beinmuskeln.

Freund lässt sich die gute Laune auch bei der kalten Abfahrt und dem hartnäckigen Nebel nicht nehmen.

Hilfreiche Infos & Tipps

Etappe 3: Andermatt - Meiringen
Dauer: 5h 30min | Strecke: 71km | Aufstieg 1520 hm | Abstieg 2340 hm

Zurück
Zurück

Und es wurde trotzdem Licht

Weiter
Weiter

Lights on, Baby